Nach der anstrengenden Anreise (s. Johannes) konnten wir ein bisschen schlafen, bevor wir uns um 12 h mittags in der Lobby des Guesthouses trafen. Nach einem heftigen Regenschauer war im tropischen Garten alles nass. Aber die Sonne schien, die sehr warme Luft war feucht und in den Bäumen schrien die Papageien.
Lauter aber als die Vögel war das unaufhörliche Hupkonzert in allen Variationen der unendlich vielen Autos auf der breiten Staße vor dem Hostal. Und das blieb auch so – Tag und Nacht. Hupen bedeutet in Indien nicht: „Du Idiot, fahr schneller“ , oder: „Bieg doch endlich ab, du A….“ Es ist eher freundlich gemeint: „Hallo, ich habe dich gesehen!“ Oder: „Achtung, ich folge dir und überhole dich gleich.“ Wobei diese Hup-Sprachen für unsere Ohren in ihren vielen Feinheiten und Varianten schwer oder gar nicht zu entschlüsseln sind.
Die erste Hälfte des ersten Tages bestand aus Warten. Und dies war eine erste Erfahrung, die wir in den nächsten Tagen noch häufiger machen sollten. Uhrzeiten, Termine für Bus, Guides wurden abgemacht, kurzfristig verworfen, umgestellt … oder es wurde gewartet ….
Für uns als Gruppe, Schülerinnen, Schüler und LehrerIn war es selbstverständlich, die abgemachten Zeiten einzuhalten, Inder haben ein etwas lockereres Zeitempfinden. Das lernten wir mit der Zeit. Wir aber als Gäste blieben bei unseren zeitlichen Absprachen, aus Höflichkeit.
Erste Aktion an diesem Tag: Tausch von Euro in indische Rupien. Erwartet wurden zwei Männer, die under Cover für uns das Geld eintauschen sollten. Jeder von uns war aufgefordert, seinen Geldbetrag in einen Umschlag mit Namen zu stecken. Nach zwei Stunden Wartezeit erschienen zwei indische Motorradfahrer mit schwarzen Helmen und Maske, unser Geld einsammelten. Unser Begleiter Pastor Michael W. wurde hinten auf ein Motorrad gesetzt und ab ging die Fahrt – wohin auch immer.
Keiner weiß es ….. Nach kurzer Zeit waren alle zurück, unser Geld auch und in dicke Stapel Rupien getauscht.
Weiter ging‘s. Zwei Guides erschienen, um uns zu einer Shoppingtour in die 20 Milionenstadt abzuholen. Geld hatten wir ja nun. Also los. Zu Fuß an der tosenden Straße mit den „sprechenden und schreienden“ Autos entlang, mit Hilfe der Guides gelang eine sichere Überquerung der ersten Kreuzung bis zur Metrostation. Wieder warten, um Tickets zu kaufen, Metrofahrt erster Klasse, weil sonst zu gefährlich aufgrund der Menschenmassen. Bei Zugeinfahrt wurden Mädchen/Frauen und Jungen/Männer getrennt, um bei der Masse Mensch unangenehme Berührungen zu vermeiden.
Mehrere Stationen durchfuhren wir auf unseren Plätzen in Waggons ohne Fenster und Türen. Erste Eindrücke von sehr vielen Menschen, schöne Frauen mit bunten Saris.
An der nächsten Station aussteigen heißt in Indien: 20 Sekunden Zeit für das Verlassen der Bahn. Sonst fährt sie mit dir gnadenlos weiter. Den rechtzeitigen Ausstieg haben wir bis jetzt immer geschafft!!!
Unsere Guides führten uns durch „Shoppingmeilen“ auf indisch: will heißen: sehr, sehr, sehr viele Menschen die sich hautnah ( wörtlich zu nehmen) ununterbrochen begegnen. Rechts und links der kleinen Straße waren Shops und Essenstände zu sehen, für uns aber meist unerreichbar wegen der Fülle von Menschen. Das Ziel: ein mehrstöckiges Riesenkaufhaus. Einigen von uns hatte dieser erste Spaziergang schon viele Nerven abverlangt, aber nun wurde das Ganze noch getoppt durch das Warenhaus:
Wieder viele Menschen, dazu sehr viele VerkäuferInnen, meist ganz jung, die uns in den Abteilungen bedienten oder ihre Waren anboten.
Viele kamen aber auch nur, um uns neugierig anzuschauen: große weiße Menschen aus einem fremden Land.
Auf dem Weg waren uns schon vorher Menschen begegnet, die uns verwundert anstarrten, Kinder, die sich vor Erschrecken oder Erstaunen die Hand vor den Mund hielten, Frauen, die uns fragten: „Where are you from?“ und unserer Antwort: „Germany“ meist mit Respekt und Hochachtung begegneten.
Diese erste Erfahrung, in einer indischen Shoppingzone zu sein, die feuchte Hitze und all die neuen Eindrücke hat uns alle ziemlich erledigt, ein erster „Kulturschock“ sozusagen. Um uns nicht gleich am ersten Abend mit indischem Essen zu überfordern, gab es Pizza für alle im Garten.
Müde und erschöpft fielen wir ziemlich früh ins Bett, während um uns herum die unendlich tosende indische Verkehrsnacht tobte.
Ursel Spendlin