16.10.2023 – Universität mal anders

Heute ist sehr viel – gutes, aber auch für mich nachdenkliches – passiert. Aber dennoch ein sehr schöner und vor allem interessanter Tag.

Gefrühstückt haben wir – wie an fast jedem Tag – um 7.30 Uhr. Zwar wurde uns am Vortag mitgeteilt, dass wir schon um 7.15 Uhr zum Frühstück kommen konnten; daraus wurde aber nichts. Wie immer gab es Brot mit Butter und eine Art Marmelade, Eier und etwas Indisches – heute Idli mit Chutney.

Unser erster Stopp des Tages war eine privat-christliche Universität hier in Chennai. Dafür sollte uns der Bus bereits um 7.30 Uhr (deutsche Zeit) an der Unterkunft abholen. Daraus wurde dann die indische Zeit – um etwa 8.00 Uhr ging es also so langsam los.

Die Fahrt zur privat-christlichen Universität (MCC College) war relativ entspannt. Mit dem Bus waren wir etwa 1 ½ Stunden unterwegs; angekommen sind wir dann direkt vor der Universität.

Der erste Eindruck war für mich nicht ganz klar. Von außen sah das Hauptgebäude der Universität wie ein kleines, aber feines Hotel aus, von innen wie eine Art Wartezimmer und später dann wie ein Raum einer Krisensitzung aus. Das mag jetzt nichts negatives sein, aber eine Orientierung gab es für mich erstmal nicht.

Empfangen wurden wir dann herzlich mit indischen Süßigkeiten bzw. Snacks (Samosas, Jalebi und Kekse), mit indischem Tee (Chai) und mit 2 (sehr detaillierten) Vorträgen über die Universität an sich, den Campus der Universität, die Entwicklung und die Programme von MCC. Ob die Vorträge nun spannend oder nicht waren, bleibt jedem für sich überlassen. Ich aber fand kein Interesse daran.

Was für mich jedoch sehr interessant war, war die Führung durch das Gelände der Universität. Unser erster Stopp war die Modeabteilung – diese war in einem kleinem seperaten Gebäude. Besonders daran war es, dass diese Abteilung nur für Frauen angeboten wird. So sollen die – immerhin schon sehr geringen – Berufschancen der Frauen in der Mode Branche erhöht werden. Die Desinges (sowohl selber genähte High-Fashion-Designes, als auch Bedruckungen auf Klamotten und Gegenstände) waren ausgestellt und sehr interessant und künstlerisch interpretierbar.

Bei der Führung durch das neue Gebäude der Universität wurden bei mir gemischte Gefühle ausgelöst. Zum einen fand ich, dass die Räume und die allgemeine Gestaltung sehr interessant und schön waren. So gab es draußen einen Bereich mit Wasser, damit die Studenten sich abkühlen konnten und im inneren des Gebäudes gab es zahlreiche Community-Räume.

Gedanken hat mir aber eines gemacht: Genau gegenüber des neuen Gebäudes lebten die Arbeiter, die das neue Gebäude errichtet haben und Moment bei der Einrichtung sind, in Slum-Artigen Behausungen. Ein Haus nenne ich es deswegen nicht, da diese von den Arbeitern selber erbaut wurden und aus Metall Platten bestanden.

Zwar hat die Baufirma den Arbeitern die Materialien für die Häuser und Strom zur Verfügung gestellt, warum aber eine Universität, die sich ganz groß als nachhaltige und soziale Einrichtung präsentiert, keine besseren Arbeitsbedingungen für die Arbeiter schaffen kann, bleibt mir ein Rätsel.

Als ich dies bei der Leitung nachgefragt hatte, kam im Prinzip nur eine, für die Person plausible Antwort: „Workers live in those conditions privately too, so it’s okay. It also would cost more to do that.“

Als wir dann aber bei den Startups vorbeigeschaut haben, war ich definitiv beeindruckt. Wie groß die Studenten gedacht haben und welche Ideen sie hatten, war einfach nur schön und inspirierend zu sehen. Aus Datenschutztechnischen Gründen werde ich keine Details zu den Projekten der Startups benennen.

Nach dem Mittagessen an der Universität ging es weiter zu einer Kirche auf einem Berg – den Namen habe ich vergessen. Ich persönlich fand also kein Interesse an der Kirche, die Gespräche, die ich mit ein paar anderen Personen hatte, waren aber sehr interessant.

Zurück in der Unterkunft gab es das tägliche Abend-Ritual: Abendessen und eine kurze Besprechung des Tages in der kompletten Gruppe.

Und da viele erschöpft vom Tag waren, ging es auch schon so langsam ins Bett – also gegen 1 Uhr.

Sanjai Kamboj

15.10.23 – Zwischen Tempeln, Touris und tödlichem Trinken

Für Spätaufsteher ein absoluter Albtraum: Am Sonntag ging es pünktlich um sieben Uhr zum Gottesdienst in einer nahegelegenen Kirche. Für mich hieß das, dass ich verschlafen habe und mir später von eben diesem Gottesdienst nur habe erzählen lassen, lol. Das Singen mit der Band war wohl noch das Angenehmste vor der einstündigen Predigt, wurde mir gesagt.

Viel verpasst hatte ich von dem Tag allerdings überhaupt nicht. Nach einer erholsamen Busfahrt (die Sitze eigneten sich hervorragend für ein Nickerchen), kamen wir vormittags in Mamalapuram an, einer touristischen Tempelstadt am indischen Ozean. Nach einer indischen Verhandlungsrunde, bei der ich mir bei unserem Guide noch einige Methoden abgeguckt habe, besuchten wir mit neuem Sonnenschutz einen Tempel. Neben den einheimischen Händlern gab es auch einen Haufen indischer Touristen. An diesem Tag habe ich mit Abstand die meisten Fotos mit fremden Menschen gemacht, bei Sätzen wie „Photo please“ oder „Where are you from?“, werde ich wohl noch eine Weile an begeisterte Inder erinnert werden.

Nach einer weiteren Besichtigung von aus Stein gemeißelten Tempeln und einem kurzen Fußweg, kamen wir zum letzten Spot unserer Tour. Ein gigantischer Stein, der an einem Abhang steht, ein perfekter Ort für klischeehafte Touribilder.

Wichtig bei jedem Ausflug ist es, genug Wasser zu trinken. Nach mehreren Impfungen, Moskitonetz und Co., hätte ich nicht gedacht, sagen zu können, in Indien wäre ich beim Trinken fast erstickt und gestorben.

Nach dieser gefühlten Nahtoderfahrung, konnte ich umso aufmerksamer neue Eindrücke sammeln: eine schlafende Kuh auf der Straße, ein Bus, der von Passagieren angeschoben wird und Kokosnussstände am Straßenrand.

Essen gab es allerdings in einem Restaurant neben dem Highway. Traditionell auf Bananenblättern serviert, haben wir typisches Indisch gegessen. Dementsprechend ist den meisten „die Fresse weggebrannt“. Der Joghurt war als Beilage auch eine gute Hauptspeise.

Auch beim Rückweg haben mir die Sitze gut als Bettersatz gedient, guckte man zur Abwechslung aus dem Fenster, haben die Unterschiede von Stadt und Land mich sehr beeindruckt und schockiert. Verfallene aber bewohnte Gebäude oder zusammengebastelte Gerüste aus Holzstäben und Seilen, würden in Deutschland eher nicht durch den TÜV kommen. In der Stadt wurde dieser Anblick von freihängenden Elektrikseilen und einem Verkehr, in dem Ampeln Deko und Fahrspuren eine Legende sind, abgelöst. Abzocke durch Strafzettel hin oder her, sogar das deutsche Ordnungsamt würde hier vermutlich aufgeben.

Nach dem Abendessen, in unserem Hostel, und der täglichen Abschlussrunde, in der wir unsere Eindrücke des Tages teilen, konnten wir zur Abwechslung in einem richtigen Bett schlafen, jedenfalls ein bisschen, um am nächsten Tag um halb acht wieder auf der Matte zu stehen. Dieses Mal hatte ich es jedoch auch geschafft mitzukommen 😉

Paula Prior

14. Oktober: Erster Tag in Chennai / Indien

Nach der anstrengenden Anreise (s. Johannes) konnten wir ein bisschen schlafen, bevor wir uns um 12 h mittags in der Lobby des Guesthouses trafen. Nach einem heftigen Regenschauer war im tropischen Garten alles nass. Aber die Sonne schien, die sehr warme Luft war feucht und in den Bäumen schrien die Papageien.

Lauter aber als die Vögel war das unaufhörliche Hupkonzert in allen Variationen der unendlich vielen Autos auf der breiten Staße vor dem Hostal. Und das blieb auch so – Tag und Nacht. Hupen bedeutet in Indien nicht: „Du Idiot, fahr schneller“ , oder: „Bieg doch endlich ab, du A….“ Es ist eher freundlich gemeint: „Hallo, ich habe dich gesehen!“ Oder: „Achtung, ich folge dir und überhole dich gleich.“ Wobei diese Hup-Sprachen für unsere Ohren in ihren vielen Feinheiten und Varianten schwer oder gar nicht zu entschlüsseln sind.

Die erste Hälfte des ersten Tages bestand aus Warten. Und dies war eine erste Erfahrung, die wir in den nächsten Tagen noch häufiger machen sollten. Uhrzeiten, Termine für Bus, Guides wurden abgemacht, kurzfristig verworfen, umgestellt … oder es wurde gewartet ….

Für uns als Gruppe, Schülerinnen, Schüler und LehrerIn war es selbstverständlich, die abgemachten Zeiten einzuhalten, Inder haben ein etwas lockereres Zeitempfinden. Das lernten wir mit der Zeit. Wir aber als Gäste blieben bei unseren zeitlichen Absprachen, aus Höflichkeit.

Erste Aktion an diesem Tag: Tausch von Euro in indische Rupien. Erwartet wurden zwei Männer, die under Cover für uns das Geld eintauschen sollten. Jeder von uns war aufgefordert, seinen Geldbetrag in einen Umschlag mit Namen zu stecken. Nach zwei Stunden Wartezeit erschienen zwei indische Motorradfahrer mit schwarzen Helmen und Maske, unser Geld einsammelten. Unser Begleiter Pastor Michael W. wurde hinten auf ein Motorrad gesetzt und ab ging die Fahrt – wohin auch immer.

Keiner weiß es ….. Nach kurzer Zeit waren alle zurück, unser Geld auch und in dicke Stapel Rupien getauscht.

Weiter ging‘s. Zwei Guides erschienen, um uns zu einer Shoppingtour in die 20 Milionenstadt abzuholen. Geld hatten wir ja nun. Also los. Zu Fuß an der tosenden Straße mit den „sprechenden und schreienden“ Autos entlang, mit Hilfe der Guides gelang eine sichere Überquerung der ersten Kreuzung bis zur Metrostation. Wieder warten, um Tickets zu kaufen, Metrofahrt erster Klasse, weil sonst zu gefährlich aufgrund der Menschenmassen. Bei Zugeinfahrt  wurden Mädchen/Frauen und Jungen/Männer getrennt, um bei der Masse Mensch unangenehme Berührungen zu vermeiden.

Mehrere Stationen durchfuhren wir auf unseren Plätzen in Waggons ohne Fenster und Türen. Erste Eindrücke von sehr vielen Menschen, schöne Frauen mit bunten Saris.

An der nächsten Station aussteigen heißt in Indien: 20 Sekunden Zeit für das Verlassen der Bahn. Sonst fährt sie mit dir gnadenlos weiter. Den rechtzeitigen Ausstieg haben wir bis jetzt immer geschafft!!!

Unsere Guides führten uns durch „Shoppingmeilen“ auf indisch: will heißen: sehr, sehr, sehr viele Menschen die sich hautnah ( wörtlich zu nehmen) ununterbrochen begegnen. Rechts und links der kleinen Straße waren Shops und Essenstände zu sehen, für uns aber meist unerreichbar wegen der Fülle von Menschen. Das Ziel: ein mehrstöckiges Riesenkaufhaus. Einigen von uns hatte dieser erste Spaziergang  schon viele Nerven abverlangt, aber nun wurde das Ganze noch getoppt durch das Warenhaus:

Wieder viele Menschen, dazu sehr viele VerkäuferInnen, meist ganz jung, die uns in den Abteilungen bedienten oder ihre Waren anboten.

Viele kamen aber auch nur, um uns neugierig anzuschauen: große weiße Menschen aus einem fremden Land.

Auf dem Weg waren uns schon vorher Menschen begegnet, die uns verwundert anstarrten, Kinder, die sich vor Erschrecken oder Erstaunen die Hand vor den Mund hielten, Frauen, die uns fragten: „Where are you from?“ und unserer Antwort: „Germany“ meist mit Respekt und Hochachtung begegneten.

Diese erste Erfahrung, in einer indischen Shoppingzone zu sein, die feuchte Hitze und all die neuen Eindrücke  hat uns alle ziemlich erledigt, ein erster „Kulturschock“ sozusagen. Um uns nicht gleich am ersten Abend mit indischem Essen zu überfordern, gab es Pizza für alle im Garten.

Müde und erschöpft fielen wir ziemlich früh ins Bett, während um uns herum die unendlich tosende indische Verkehrsnacht tobte.

Ursel Spendlin